nuklezmer? urban klezmer? Irgendwas zwischen Tom Waits, Woody Allen und Punk? Er selber sagt, “I want to make original klezmer music that’s drunk and dirty, political and passionate.” Und so ist das, was der Kanadier macht, er und sein anarchistisches Akkordeon, eine kaltschnäuzige Geige und prunklose Percussion, es ist “klezmer punk folk dance music”.
Oder was auch immer, Berner erneuert den Klezmer so, dass man nicht mehr weiß, wohin das gehört, was man hört. Dabei geht er eigentlich einen traditionellen Weg: Er bringt die Musik dahin zurück, wo sie hergekommen ist, auf die Straßen dieser Welt und an ihre Tresen: “Kicking klezmer back into the bars”,das ist bissig, wie er das macht, es ist witzig und politisch und dermaßen jüdisch, dass dieses Konzert Teil der Jüdischen Kulturtage ist. Dabei hat Berner nur deshalb gelernt, Akkordeon zu spielen, weil keiner bei ihm in Kanada das Akkordeon mochte: “Der Punkrocker in mir schloss daraus: Wenn es die meisten Leute nicht mögen, dann ist es bestimmt eine gute Idee.”
Damit hat er recht behalten und ebenso damit, dass das Klezmer-Revival der 80er und 90er zwar die Konzertsäle gefüllt, der Musik aber die Wirklichkeit ausgetrieben hat. Klezmer, sagt Berner, war eigentlich immer die Musik von Menschen, die ein Akkordeon besaßen und eben kein Klavier. Es war die Musik von Leuten, die wenig hatten und von nichts zu viel außer von ihrer Leidenschaft und ihrer Lust am Spott.
Davon erzählt Berner, er spielt sich durch seine Klezmer-Songs wie durch den eigenen Tresen-Talk. Es geht um den Job und um die Liebe, um rumänische Krankenhäuser und göttliche Vorsehung, um die schwierigen Fragen, die entstehen, falls man eine “half german girlfriend” hat und dann um ein ganz anderes Problem, es ist das größte von allen, die Langeweile: “What made Mohammed Atta wanna visit New York?”
“Boredom is the true enemy”
sagt Berner und schlägt im Interview vor, einfach allen langweiligen Kram zu meiden, als da wären “songs about angels and the rain” oder “a Starbucks” oder etwas derart Ödes wie eine
“melodic pop punk guitar band”.
Was ja nun wirklich nicht von der Hand zu weisen ist, Langeweile ist immer melodisch, das wusste schon Billy Bragg, der große Stücke auf Geoff Berner hält (“Cherish him, cherish him, for there really is no one like him. Fantastic.”). Was Billy Bragg, soweit wir wissen, nicht wusste: eine Antwort auf die Frage, wieso solche melodischen Poppunk-Guitarbands überhaupt entstanden sind? Wieso der ganze stuff? Fragt Berner sich und antwortet und singt:
“Well, the fact is that God made the world to entertain himself / And to keep things interesting, he took a little Evil off the shelf.”
Geoffs Intelligent Design der Schöpfungsgeschichte. Der Mann ist kein Poppunk, er ist ein weiser Punk, er weiß, dass es ohne Haltung keine Unterhaltung geben kann. Sich selber hat er mal in einem Interview als “certified Jew” bezeichnet. Mit Bar Mitzwa und Hebräischschule und jetzt auch mit einem Auftritt im Rahmen der Jüdischen Kulturtage NRW. Die bieten ab dem 20. März bis Mitte April in 52 Städten des Landes “ein alle Kunstsparten umfassendes Programm, bei dessen Zusammenstellung Qualität das Auswahlkriterium ist”. So der offizielle Wortlaut, den wir mit hiermit gerne bestätigen.
Weswegen Geoff Berner ja auch urban urtyp #8 geworden ist. Unserer Indie-Reihe geht es schließlich darum, den Sound der Stadt zu hören, und der jüdische Sound dieser Stadt ist nicht nur wieder zu hören, er ist schon lange nicht mehr zu überhören. Oder wie Berner sagt:
“Drink to it, think to it, dance to it.”
Das Konzert wird veranstaltet in Kooperation mit den Jüdischen Kulturtagen NRW.
Webseite Jüdische Kulturtage NRW
Sonntag, 27. März, 19 Uhr
Karten — für wie immer 10 EUR — gibt es im VVK über nrw-ticket.de und eventim.de, und dann gibt es natürlich noch das Freigetränk an der Bar …