Großes Songwriting, zerbrechlicher Pop. Erinnert die einen an verdiente britische Exentriker wie Nick Drake und Kate Bush, andere an Björk oder die frühe Tori Amos, wieder andere an Cohen und Waits. Wie auch immer, seit Element of Crime war keine Musik so rätselhaft schön wie die von Patty Moon. Diskret romantisch, ohne Pathos, ohne Dramen, Indie-Pop ohne Bombast. Patty Moon sind Judith Heusch (Gesang, Klavier) und Tobias Schwab (alle Saiten, alle Tasten, dazu etwas Percussion und ein bisschen Elektronik). Seit mehr als zwölf Jahren spielen sie zusammen, und wenn man auch nie sagen sollte, dass irgendwas, das Menschen tun, “organisch gewachsen” sei, auf ihre Musik passt es doch:
Ich bin mitten im Wald groß geworden, das hat mich ziemlich bespukt, glaube ich, der Wald. Das Düstere, die Füchse, Kauze, die Gerüche, alles.
Nur dass Patty Moon daraus keinen Naturkitsch backen und tun, als würden sie mit dem Waldgeist dinieren. Ihre Kritiker schreiben zwar Elfen im Dutzend herbei, die sie in der Musik tanzen hören, und beim STERN nennen sie so was dann “traumverloren”. Aber was soll das sein, “traumverloren”, diese Lieder irren einfach nicht wie Gretel durch den Wald. Das Traurige in ihnen hat einen anderen Grund:
Mir ist das Leben viel zu groß, zu schön und zu schmerzhaft gleichzeitig, ich wäre oft lieber nicht da. Und könnte andererseits für manche Gerüche wie den Frühnebel draußen sterben vor Glück.
Es gibt Melodien, die das ausdrücken können, das zu schöne Leben, das zu schmerzhaft ist. Die Traurigkeit, die da ist, weil man so dankbar ist. Man muss, um diesen Daseins-Ton zu finden, nicht in den Wald gehen, es gibt ihn auch in der Stadt, man muss nur die Arme ausbreiten und hören und verspielt genug sein, um all den Schrecken zu bannen, der hinter Bäumen wie an Straßenecken lauert.
Und Patty Moon schrecken selbst vor der Melodika nicht zurück, diesem gnadenlosen Anti-Instrument, das den bösen Gestalten in ihren Songs, den “Flapping Monsters” und “Your Murderer”, noch jeden Hals umdreht.
“Verspielte Magie”
hat das jemand genannt, und das trifft es gut. Ende mit Feen-Gedöhns.
Ankunft in der Märchenwelt des Films. Patty Moon haben jetzt für Geissendörfers In der Welt habt ihr Angst drei Titel geschrieben, einen weiteren für Mein bester Freund (mit Moritz Bleibtreu) und dazu ein Intermezzo in der Lindenstraße gegeben: Von Folge 1321 bis 1333 hat Judith Heusch hier als Kitty König mitgespielt, ein paar Songs gesungen und Vater Beimer ihm seinen Sohn undsoweiter. Was zu der Frage führt, ob …
… Patty Moon tatsächlich einmal mehrheitsfähig werden könnte in einem Land, in dem man guten Pop mit einem dicken Stefan Raab verwechselt und mit beinhart guter Laune.
Wahrscheinlich nicht. Dazu fehlt ihnen einfach die Weinerlichkeit, sie ist das Pendant zu Lenas Love-o-Love-Laune. Pop ist eine ernste Sache, sonst könnte er nicht glücklich machen.