Bohren bauen Töne ab. Wo andere das Ende der Musik vermuten, spielen sie weiter, immer an der Grenze zum Stillstand entlang. Immer vor der Wand, aus der sie Ton für Ton herausbrechen. Der Rhythmus liegt gevierteilt am Boden, wie kleine Steinbrocken fallen Harmonien aus dem Fender Rhodes, das Zeitgefühl gibt auf.
„Ereignisarm“, nennen die Mülheimer ihre Musik. Das ist unaufgeregt formuliert. Es gibt nichts zu sehen, sie spielen im Dunkel, und wenn es dunkel und dunkler klingt, hat das trotzdem nichts mit der Düster-Szene zu tun, den Totenköpfchen am Goldkettchen. Auch nichts mit einer Tristesse, die manche gern im Ruhrgebiet vermuten. Es hat mit Reduktion zu tun. Warum noch einen Ton spielen, wenn der, den man hört, noch nicht zuende ist. Auf diese Weise, ereignisarm und ärmer, ereignet sich etwas: Musik.
Ton. Für. Ton. Adagio Adagio. Immer tiefer hinein ins Dunkle der Töne. Die nie nur da sind, sondern hergestellt werden wie aus dem Nichts. Seit Heidegger denken alle, das Nichts nichtet. Bohren bohrt.
Es dauert, bis ein Album abgebaut ist. Zuletzt — eines ihrer Alben trägt schon das Ende der Arbeit im Titel: DOLORES, die Schmerzen — zuletzt war ihre Musik nicht mehr so völlig entschleunigt wie sonst, auch wenn es unangemessen wäre zu sagen, sie sei „schneller“ geworden. Was ist sie dann? Etwas, das aus Sax, Fender Rhodes, Piano, Bass und ein paar Drums entsteht, die nicht geprügelt werden. Gitarre? “Potenzielle Nervensäge”. Am ehesten ließe sich das Ganze als DOOM-JAZZ beschreiben. Laut.de beschreibt es so:
Ambient-artige, extrem langsam performte Klanglandschaften mit sphärischer bis meditativer Prägung. Mit leichter Hintergrund-Untermalung hat das alles jedoch nichts zu tun. Das Stillleben wird nahezu ausschließlich durch die instrumentellen Farben des Jazz gemalt. Als roter Faden zieht sich dabei das wohl behäbigste, bedrückendste Saxophon der Musikgeschichte durch die zeitlupenhaften Tracks.
Weltschmerz? Die ganzen existenziellen Fragen? Ach je, die vier Herren geben witzige Interviews, verweigern jede große Deutung und erklären ihre Musik mal damit, dass
wir nicht viel schneller spielen können
oder
Der Hörer bekommt den Ton serviert, den er erwartet hat. Es dauert was, aber er kommt.
Zeit genug also, sich eine eigene Vorstellung zu machen. Bohren spielen Bildersprache. Sie bauen Töne ab, sie arbeiten in unserem Kopf.
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