Wenn Pop und Klassik aufeinander treffen, geht es eigentlich immer schief, dieses Popsong + Geigen + noch mehr Geigen. Dass sie nicht aufeinander treffen, sondern aufeinander hören, ist die wohl interessanteste Entwicklung in der Musik zur Zeit. Einer, der dieses Aufeinanderhören in Schönheit verwandelt: Carlos Cipa, Pianist und Komponist aus München, 24 Jahre alt. Aufgewachsen im Pop, ausgebildet in der Klassik, neugierig auf alles, was gut klingt: von Jazz bis Indie, von Mozart zu Debussy, von Hardcore zu Ravel, von Screamo zu Steve Reich. Jetzt hat Cipa sein zweites Solo-Album vorgelegt: klassische Musik, mit Pop-Bewusstsein gespielt.
Cipa geht — eine großartige Einfühlung — zurück an den Beginn der Moderne dahin, wo der Impressionismus entstand. Ein kurzer Moment in der Geschichte, vielleicht einer der glücklichsten, es trafen zusammen: die Begeisterung für Technik, die Faszination für das, was aus sich selber heraus entsteht, die Verführbarkeit von allem, was sich wie endlos wiederholt — einerseits, und andererseits das Gefühl der neuen, der bürgerlichen Freiheit, die Lust am Versuchen, die Versuchung zur Improvisation.
Gefühlswelt und Maschinenwelt, eine neue Sinnlichkeit für das, was Klänge freisetzen und Klangbilder formen kann … Im Vergleich zur bürgerlichen Klassik, der strengstens kontrollierten Emotion, war Impressionismus Pop, das reine Jetzt, orgiastischer Moment — ein kurzer, glücklicher Moment, den Carlos Cipa nachspürt. Traumartig schön, man steht seiner Musik ein wenig wehrlos gegenüber, sie geht einen an wie ein Bild von Claude Monet.
Wie er das macht? Cipa unterlegt den Klang seines Flügels — sehr zurückhaltend, sehr homogen — mit elektronischen Sounds und spielt etwas hinein, was längst vergessen ist: das verheißungsvolle Knistern eines Radios, das Cipa von seinen Großeltern geerbt hat, oder den Sound der “Guitaret”, eines in den 60ern von Hohner entwickelten Instruments …
Anders aber als etwa Hauschka [mit dem er oft die Bühne teilt] baut Cipa seine Kompositionen nicht auf Sounds auf, sondern stellt sie in Dienst: Sie umspielen den Klang des Flügels, Melodien wie eine Hügellandschaft, warme Farben, traumartige Bilder …
Das Album ist soeben bei Denovali erschienen, dem Bochumer Label für alles, was gut ist. Und Carlos Cipa ist nicht nur gut, er ist 24, er hat eben erst angefangen. Für Leute wie ihn und seine Musik ist urban urtyp erdacht.
urban urtyp heißt: wie immer nur 10 Euro