freitag 31.3. // Nein, kein Tippfehler, der Albtraum, den sie meint, ist in den Alpen entstanden, die Ex-Dortmunderin, Ex-Kölnerin und Jetzt-Berlinerin tritt einen Heimweg an nach vorn. „An das Angstland“ hieß ihr letztes Studioalbum, und jetzt eine Ode an den Alp- & Albtraum? Ist das Pop? Es ist grandios. Wundersam verspielte Harmonien, rätselhaft schöne Melodien, die sie, als seien es Geheimnisse, in ihre Stimme taucht, sie flüstert und säuselt und flattert und kratzt, sie stürzt ab und schwingt sich auf, es ist Art-Pop schönster Art, man ist sofort bereit, sich ihm sorglos hinzugeben. Und wird beiläufig beirrt, ein Beispiel:
„Ich will Geld, ich will Geld“ singt sie, ein gutgelaunter Roadmovie-Song, alles klingt arglos und fröhlich naiv wie ein fernes Echo von Gittes „Ich will ‚nen Cowboy“ oder wie eine feinfühlige Persiflage auf „Ich will Spaß“ von Markus, und dann zerfliegt alles Naive gleich mit der ersten Zeile: „Süßer Traum aus Teer gemacht …“ Schönster Pop, der einen einfängt und im selben Moment irritiert: In dieser Gleichzeitigkeit von Traum und Teer, von Harmonie und Disharmonie, Anschmiegen und Anklagen, von Drachentöter-Pose und völliger Verletzlichkeit liegt das Geheimnis von Brandis Musik. „Ich möchte uns Themen zumuten“, sagt sie. Wie das geht?
Es hat etwas mit den Produktionsbedingungen zu tun. Ihr Album sei eines der allerersten „rein weiblich produzierten Album auf dem deutschen Markt“, sagt sie, realisiert habe sie es — genau wie Leslie Clio, die wenig später in der Christuskirche auftritt — ausschließlich mit Frauen oder sich als weiblich verstehenden Personen. Für Brandi eine künstlerische Erfahrung: keine Machtkämpfe mehr im Studio mit männlichen Kollegen, „ich habe mich zum ersten Mal kein einziges Mal gefühlt wie ein kleines Mädchen”, stattdessen werden andere Dinge freigelegt, „der Kopf voll angestauter Träume / Ich habe keinen von ihnen bisher gelebt“, singt sie in „Die letzte Brücke“. Wieder dieses Miteinander von anmutiger Popmusik, die alles zu versprechen scheint, und jenem Schmerz, der entsteht, wenn man sich eingestehen muss, dass die meisten Träume ungelebt bleiben.
Pop als Illusion? Schöner kann man sich nicht desillusionieren lassen. Charlotte Brandi ist auf dem Heimweg nach vorn.
2012 war sie erstmals in der Christuskirche Bochum, damals mit Me And My Drummer, ihrem ersten und sehr erfolgreichen Projekt. 2017 waren sie und ihr Drummer erneut bei uns, 2019 dann hat sie ihr erstes Solo-Album „The Magician“ in der Christuskirche Bochum vorgestellt, jetzt — sie kommt in Trio-Besetzung — ihr nächstes Werk, wir bringen es in unserer urban urtyp edition. Und hören einer Künstlerin zu, wie sie wird, die sie ist.
Tickets hier: https://christuskirche.reservix.de/events