sonntag 19.3. // Hier kommt Kurt. Kurt Dahlke, Pyrolator, er kommt aus dem „Niemandsland“, so heißt sein 22er Album, hinein in den urban urtyp Kubus. Kurt ist Pyrolator ist eine Legende ist Gründungsmitglied von DAF ist Keyboarder bei Fehlfarben und die eine Hälfte von Der Plan. Nur wieso „Pyrolator“? Hat nichts mit Feuer zu tun, griech. pyros, er selber erklärt: „Der Name ist spontan entstanden, als es bei unserem Label darum ging, Plattenläden mit unseren ersten Produkten zu beliefern …“ — ist also ein wenig her, aber auch nicht so lang, es fuhren schon Eisenbahnen — „und da stellte sich heraus, dass es besser ist einen Künstlernamen zu haben. Es erschien mir peinlich am Telefon zu sitzen und zu sagen: ‚Ich bin der Kurt und habe da eine neue Platte gemacht‘. Während ‚Da gibt es einen neuen Künstler auf unserem Label‘ irgendwie besser klingt. Der Name ist mir dann von Moritz Rrr, mit dem ich bei Der Plan spielte, vorgeschlagen worden, und ich fand ihn gut.“
Wir auch. Wir haben Graecum und können Zahlen. Der Pyrolator, der nichts mit Feuer zu schaffen hat, spielt am 19.3.23 um 19 Uhr für 10 (2*5) € als urban urtyp #82, manche zählen #83, sein neues Album, das 43 Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung, „Inland“ 1979, erschienen ist, heißt: 2–3‑5–19-43–83-1979 … na?
Eine extreme Dichte an Primzahlen, wobei 2,3 und 5 zugleich Teil der Fibonacchi ‑Folge sind, das ist alles ungewöhnlich! Genau wie die Geschichte des Pyrolators, die tief in die Düsseldorfer Elektronik-Szene hinein ragt, der Mann war Gründungsmitglied von DAF, ist Keyboarder bei Fehlfarben und ist die eine Hälfte von Der Plan. Von ungezählten Kooperationen und Kollaborationen ganz abgesehen. In seiner langen Karriere hat er auf allen Kontinenten — allen bewohnten — Konzerte gegeben, seine Alben tragen deren Namen: „Inland“, „Ausland“, „Wunderland“, „Traumland“, „Neuland“ und jüngst das „Niemandsland“. Der ehemalige EMI-Manager Roel Kruize hat „Niemandsland“ zum Album des Jahres 2022 gewählt. Er selber sagt von sich, er kehre zurück.
Wohin? Zum Synthesizer in modularer Form, einem „hybriden System“, der Kombination aus einzelnen Synthesizer-Modulen plus Computer. Diese Rückwendung als technische Form hat einen inhaltlichen Sinn: „Inland“, wie gesagt 1979 entstanden, hatte Pyrolator als eine Art instrumentelles Protestalbum verstanden, als ein akustisches Aufbegehren in einer Zeit des deutschen Herbstes und atomarer Aufrüstung, ein Auflehnen gegen die Kriegsgeneration und deren Machtstrukturen, aber im selben Maße gegen die Weinerlichkeit der 68er und ihrer protestseligen Barden. Bis auf wenige Samples kam „Inland“ ohne Text aus, Form ist Inland genug.
Und jetzt, mehr als 40 Jahre später, wendet sich Pyrolator seinen Ursprüngen zu, nur ist es diesmal kein Protest, kein Aufbegehren, das er verhörbar macht, es ist längst 10 nach 12 und die Schlacht geschlagen. Schluss mit lustig, Punk hat gewonnen, no future ist der globale Punk. Und alle sind wir angekommen im Niemandsland, dem — wir mit stolpern mit Graecum hinein — utopia.
Andere nennen es Berlin, der Pyrolator lebt inzwischen dort, aus seiner Sicht ist dies passabel, es ist die zweite Hauptstadt der Elektronischen Musik, Heimat von Tangerine Dream, Klaus Schulze und Conrad Schnitzler (mit dem Pyrolator posthum zusammengearbeitet hat, eine tolle Geschichte, aber eine andere), Heimat von Ash Ra Tempel, Manuel Götsching und Harald Großkopf, von Robert Schroeder und Michael Hoenig, Mario Schönwälder und Bernd Kistenmacher, von UFO, Berghain und Tresor undsoweiter.
Hier Düsseldorf, dort Berlin, der Pyrolator arbeitet mit an der intergalaktischen Städtepartnerschaft, die urban urtyp stiftet zwischen hier Düsseldorf — Chogori haben im urban urtyp Kubus gespielt, Kreidler, Hans Joachim Roedelius, BAR, Stabil Elite uam — und dort Berlin: Billie Ray Martin ist urban urtyp, Cats & Breakkies, Jungstötter, Kid Be Kid, Brand Brauer Frick, Laura Carbone …
Von ihnen sind nicht alle so welt- und kontinenterfahren, wie Pyrolator es ist, nicht alle haben schon mal getan, was der mit DAF getan hat und mit Fehlfarben und Der Plan, nämlich den Ton ihrer Zeit verdichtet, aber es heißt eben auch kein anderer Kurt.
Musik aus Strom, dennoch nur 10 €. Text von Olaf Rauch, dennoch gut. Tickets hier